Kein Grundwasser für Industrie!

Auch dieses Schild steht bisher nur als ein stummes Mahnzeichen am Wegesrand rings um Lengerich und Handrup.

Die nachfolgende Grafik gibt diesem Warnkreuz nun ebenfalls ein Gesicht. Sie zeigt die Entnahmerechte für Trinkwasser und Betriebswasser im Versorgungsgebiet des Wasserverbandes Lingener Land (WVLL) sowie die Abgabemengen an Trinkwasser durch den WVLL für die Industrie. 

Kein-Grundwasser

Die Daten wurden dem Niedersächsischen Wasserbuch entnommen und in eine regionale Übersicht zusammengestellt. Im Wasserbuch sind die sogenannten Wasserrechte, also wesentliche wasserwirtschaftliche Rechtsverhältnisse sowie wasserwirtschaftlich begründete Schutzgebiete eingetragen.

Die Fakten

Der Wasserverband hat nach eigenem Bekundeneinen Bedarf von 6,8 Millionen m³/a Trinkwasser. Aus den beiden Wasserwerken Grumsmühlen und Darme sind insgesamt  7.6 Millionen m³/a an Entnahmerechten verfügbar, das sind 0,8 Millionen m³/a mehr als derzeit benötigt werden. Ebenfalls nach eigenem Bekunden bestünde ein zukünftiger Fördermehrbedarf von 0,8 Millionen m³/a. Rechnerisch müsste somit der zukünftige Gesamtbedarf von 7,6 Millionen m³/a gedeckt sein!  

Die Mathematik des Wasserverbandes geht anders: 7,6 minus 5,5 (Grumsmühlen) minus 0,6 (Stadtwerke Lingen) ergibt eine Förderlücke von 1,5 Millionen m³/a – abzudecken durch ein zukünftiges neues Wasserwerk Lengerich-Handrup. Plötzlich ist von den 2,1 Millionen Kubikmeter des Trinkwasserwerkes Darme keine Rede mehr. Magie oder einfach nur im Boden versickert? 

Kein Zauber sind die Abgabemengen von Trinkwasser an die Industrie durch den WVLL. 2,1 Millionen für den Industrie-Park Süd in Lingen durch das WW Darme mit separatem Versorgungsnetz, sowie 1,3 an die BP Raffinerie Holthausen durch das WW Grumsmühlen. Von den 6,8 Millionen m³/a Trinkwasser werden also mit 3,4 die Hälfte für industrielles Prozesswasser zur Verfügung gestellt. Nach eigenem Bekunden dies auch noch zu deutlich niedrigeren Preisen als für die ‘normalen’ Haushalte. Zeitgemäß?

Im Niedersächsischen Wasserbuch und öffentlich zugänglich sind die Entnahmerechte für Betriebswasser aus dem Dortmund-Ems-Kanal zwischen dem KW-Emsland und dem Speicherbecken ablesbar: in der Summe 73,5 Millionen m³/a, davon 3,5 Millionen für die Raffinerie. Die Förderrechte aus dem Kanal sind nicht nur deutlich höher als ihr Bedarf: Bei Abschaltung des Kernkraftwerkes in 2022 wird auch das Speicherbecken in Geeste nicht mehr als Kühlwasser-Rückhaltebecken benötigt. Hier würde sogar zusätzliches Oberflächenwasser für die industrielle Verwertung frei werden!

Bundesweit liegt der vergleichbare Pro-Kopf-Verbrauch bei ca. 125 Litern am Tag, im Versorgungsgebiet des WVLL liegt er jedoch bei mehr als 270 Litern! Die Hälfte davon wird von der Industrie verbraucht. Vertretbar?

Die Lösung

Neben den höheren Förderkapazitäten aus dem Kanal sind auch die Möglichkeiten alternativer Förderungs- und Aufbereitungstechniken für den Industriebedarf längst nicht ausgeschöpft.

Insbesondere holländische Firmen zeigen, dass die Herstellung von Oberflächenwasser zu demineralisiertem Wasser oder hochwertigem Prozesswasser, die Abwasseraufbereitung und Wiederverwertung für den Wasserkreislauf mit einer stabilen, verlässlichen Qualität längst Alltagsroutine ist.

Beim Weg vom Trinkwasser entstünde auch ein Mehrwert für die betroffene Industrie. Sie könnte nicht nur mit einem sauberen Kreislauf von Aufbereitung (von Prozesswasser), Versorgung und Wiederverwendung werben, sondern sich auch auf den zertifizierten Umweltstandard ISO 14000 berufen (entsprechendes Zertifikat dürfte mittlerweile jede Firma besitzen). Und sie könnte sich auch noch als der Bewahrer von kostbaren Grundwasserressourcen hervortun.

Die Konsequenz

Laut eigenem Bekunden sei eine alternative Wasseraufbereitung, auch die Suche danach, nicht Aufgabe des Wasserverbandes. Es sei Aufgabe des Verbandes, die Kunden mit Wasser zu versorgen und nicht Wasser zu sparen, so auf der Diskussionsveranstaltung am 21.04. 2015 in Lengerich.

Der Wasserverband muss umdenken! Es gibt genügend Alternativen. Vielleicht bedarf es dazu sogenannte Strategische Partnerschaften oder Public Private Partnerships (PPP). Die öffentliche Aufgabe der Wassersversorgung für Haushalte und für gewerbliche Kunden lässt sich verantwortungsvoll auch anders anpacken.

Warum hier nicht mal innovativ werden und Zeit investieren? Turn around!

Die Forderung

Statt das Geld (das der Kommunen!) für weitere Reisekosten, Gutachten, Pumpversuche und Erkundungen im ‘Vorbehaltsgebiet Lengerich’ zu verschwenden bisher sind bereits 1 Million Euro ausgegeben -,  die Mittel umlenken und in die Entwicklung und Abschlüsse von Alternativen investieren. Nach Internet-Recherche sind die Experten für industrielle Wasserversorgung und Prozesswasserrecycling mit dem Gutachterbüro CAH Geo-Infometric sogar im eigenen Haus.

Aktiv neue Potentiale erschließen und dem Interesse eines Ausgleichs mit der Natur und für künftige Generationen Rechnung tragen!

Für den industriellen Prozess kein kostbares Trinkwasser aus dem Untergrund verbrauchen!

Nach Auskunft des Wasserverbandes “wird nicht gefördert, wenn wir die 1,5 Millionen m³/a nicht brauchen”. Wir benötigen sie nicht! Weder gemäß den oben aufgeführten Bedarfs- und Förderzahlen, noch nach den vorhandenen alternativen Möglichkeiten. Mit einem überraschenden Nebeneffekt: die Grundwasserförderungen in Grumsmühlen könnten zurückgefahren werden.

Quellen

[1] Nds. Wasserbuch, Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) / Fachdaten: NLWKN 2014  /  Geobasisdaten: LGLN 2014  /  Karte Openstreetmap, GeoBasis-DE/BKG 2014

[2] Informationsveranstaltung des Wasserverbandes Lingener Land am 24.November 2015 in Lengerich

[3] Evides Industriewater BV, Rotterdam, mit Deutschlandsitz in Wuppertal http://www.evides.de; Facts & Figures: Beispiele BASF Antwerpen (S.32) oder DOW Stade (S.34)